Gerade komme ich aus einem Coaching, das mich wirklich nachdenklich gemacht hat.
Oder besser gesagt: Ich musste mal wieder den Kopf schütteln.
Mein Coachee – eine reflektierte, erfahrene Führungskraft, Wirtschaftsprüfer – hatte sich nach langer Überlegung entschieden, sein Unternehmen zu verlassen. Keine Kurzschlussreaktion, kein Drama, sondern eine bewusste, respektvolle Entscheidung. Er bereitete sich intensiv auf das Gespräch mit seinem Vorgesetzten vor, formulierte seine Kündigung klar und wertschätzend.
Und dann passiert’s:
Er spricht die Kündigung am Telefon aus – und der Vorgesetzte legt einfach auf.
Kein Nachfragen. Kein „Schade, dass du gehst.“ Kein „Danke für deine Arbeit.“
Einfach aufgelegt. Funkstille.
Mein Coachee war zunächst irritiert, dann enttäuscht – und letztlich sogar erleichtert.
Denn in diesem Moment zeigte sich die emotionale Reife (oder besser: Unreife) des Vorgesetzten deutlicher als in jedem Mitarbeitergespräch zuvor.
Es ist ein Phänomen, das ich in meiner Arbeit immer wieder beobachte:
Sobald Beziehungen – ob beruflich oder privat – enden oder sich verändern, übernimmt oft das innere Kind das Steuer.
Plötzlich agieren erwachsene Menschen, die sonst Strategien und Businesspläne souverän meistern, auf eine Weise, die an ein trotziges Kind erinnert: beleidigt, verletzt, überfordert.
Warum ist das so?
Kündigungen berühren unser Urbedürfnis nach Sicherheit und Zugehörigkeit.
Wenn uns jemand verlässt – selbst im beruflichen Kontext – fühlt sich das für viele wie ein persönlicher Verlust an. Als wäre die Loyalität, auf die sie gehofft hatten, plötzlich nichts mehr wert. Und genau hier springt unser inneres Kind an: jenes kindliche Selbst, das Angst vor Trennung, Ablehnung und Kontrollverlust hat.
Das Problem: Wenn dieses kindliche Muster unbewusst bleibt, entstehen Verhaltensweisen, die alles andere als professionell sind.
Ein Gespräch einfach abzubrechen – oder beleidigt zu reagieren – ist kein Zeichen von Stärke. Sondern ein Hinweis darauf, dass da jemand seine eigenen emotionalen Themen nie wirklich angeschaut hat.
Für meinen Coachee war das ein heilsamer Moment.
Er hat nicht nur seine Entscheidung zu gehen noch einmal bestätigt gesehen, sondern auch verstanden, dass seine Wahrnehmung richtig war: Dieses Arbeitsumfeld entsprach längst nicht mehr seiner eigenen Reife und seinen Werten.
Was wir daraus lernen können
Wenn du selbst Führungskraft bist – oder einfach mit anderen Menschen zusammenarbeitest –, dann lohnt sich bei Trennungen und Abschieden ein genauer Blick:
- Wer in dir reagiert gerade? Dein erwachsenes Ich – oder dein verletztes inneres Kind?
- Kannst du die Entscheidung des anderen annehmen, auch wenn sie dich traurig oder wütend macht?
- Oder versuchst du, Verlust durch Trotz, Schuldzuweisungen oder Ignoranz zu kontrollieren?
Die Qualität unserer Beziehungen – im Beruf und im Leben – zeigt sich nicht in den Zeiten des Erfolgs.
Sie zeigt sich dann, wenn jemand geht.
Und wie wir mit diesem Gehen umgehen.